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16. Oktober 2003

Adrenalinschub dank Gelatine

Filed under: Allgemein — Florian @ 11:52

[img]../newsimages/medienberichte/2003-10-16-tagblatt_ch_logo.gif[/img]Paintball erhitzt die Gemüter: Kriegsverherrlichung oder harmloses Spiel für Erwachsene? Ein Selbstversuch. Quelle: http://www.tagblatt.ch/leben.cfm?pass_id=826568&liste=826568,826569,826570Der Ast bohrt sich immer tiefer in meine Seite, aber ich wage es nicht, von dem unbequemen Stück Boden wegzurollen. Mir fehlt die Orientierung, nachdem ich mich erst gerade atemlos hinter diesen Holzstapel gerettet habe. Das ist eine denkbar schlechte Ausgangslage, um den Standort zu wechseln. Vor allem, weil in diesem Moment wieder etwas mit hohem Tempo an mir vorbei- pfeift. Da hat mich jemand aufs Korn genommen. Der nächste schützende Vorsprung ist einige Meter entfernt. Warten? Oder mit dem Mut der Verzweiflung nach links hechten? Eine schwere Entscheidung. Zumal ich nicht gerade ein Held bin. Andererseits: Die Sache soll ja ungefährlich sein. Wenige Meter vor mir huscht einer hinter eine Hecke. Wenn er mich sieht, ist es passiert. Also bleibt wohl doch nur die Flucht. Mit Masken und Markierern Auf den Waldboden gezwungen hat mich eine amerikanische Erfindung namens Paintball. Eine Sportart, die seit ihrer Erfindung heftiger Kritik ausgesetzt ist und dennoch jeden Monat weltweit 8000 neue Spielerinnen und Spieler für sich gewinnt. Zwei Mannschaften stehen sich gegenüber, ausgerüstet mit Gesichtsmasken und so genannten Markierern. Letztere sind es, die den Argwohn vieler Beobachter wecken. Denn die CO2-betriebenen Markierer verschiessen zwar ungefährliche Gelatinekugeln, gefüllt mit Lebensmittelfarbe. Aber sie erinnern punkto Funktionsweise eben doch an Pistolen. Das hat den Paintball-Anhängern den Ruf eingehandelt, Krieg zu spielen. Nachdem ich in Ermangelung einer militärischen Karriere noch nie eine echte Waffe in der Hand hatte, fühle ich mich von dem Verdacht allerdings wenig betroffen. Und zudem: Wie soll ich ein moralisches Urteil fällen, bevor ich die Sache selbst ausprobiert habe? «Ungefährlicher als Golf» «Wir reden hier nicht von Waffen und schon gar nicht von Schiessen», stellt Roli zu Beginn punkto Vokabular klar. Er und sein Freund Marcel führen uns in diesem lauschigen Waldstück oberhalb der Ortschaft Ricken in die Regeln des Paintballs ein. Die sind denkbar einfach. Abgesehen von einigen Variationen geht es im Wesentlichen darum, die Mitglieder der anderen Mannschaft vollzählig vom Feld zu befördern. Wer von einer der Farbkugeln – «Balls» genannt – getroffen wird, muss den Platz verlassen. Insofern ist Paintball nichts anderes als Völkerball – und eigentlich auch nicht viel schmerzhafter als dieses. Je nach Distanz und Ort des Treffers können die Farbkugeln zwar durchaus schmerzhaft zwicken, aber vereinzelte blaue Flecken sind die einzige Erinnerung. «Paintball ist statistisch gesehen ungefährlicher als Golf», stellt ein Schweizer Anbieter in seiner Dokumentation fest. Der Schweiss fliesst Allerdings ist Paintball vermutlich geringfügig anstrengender. Zwar sind auf dem 50 auf 24 Meter grossen Waldstück, auf dem ich meine ersten Erfahrungen sammle, keine Gewaltsmärsche möglich, aber der Schweiss fliesst dennoch in Strömen. Immerhin muss, wer wirklich Einfluss auf das Spiel haben will, ständig in Bewegung bleiben, Deckung suchen, in Sekundenschnelle wieder auftauchen und hinter der nächsten Deckung verschwinden. Dazu kommen die Adrenalinschübe, die sich unweigerlich einstellen, wenn man weiss, dass gut getarnte Gegenspieler nur darauf warten, einen selbst zu beschiessen, pardon, zu markieren. Das Gelände ist unübersichtlich, überall kann einer von ihnen lauern. Die Anspannung ist gross – spätestens, wenn man vorsichtig über die eigene Deckung hinauszulinsen versucht und plötzlich in Gelatine verpackte Lebensmittelfar-be über den eigenen Scheitel saust. Beliebte Extremsportart Diesen Adrenalinschub sucht im Ausland längst eine unübersehbare Menge. In Amerika ist Paintball nach Skateboard und Inlineskating die beliebteste Extremsportart – wobei sich das «extrem» nur darauf bezieht, dass es kein eigentlicher Volkssport ist und es nicht «jeder» macht. Das aber dürfte eine Frage der Zeit sein. In England beispielsweise ist Paintball längst zur selbstverständlichen Freizeitbeschäftigung geworden. In der Halle, im Wald oder auf einer Wiese mit aufblasbaren Deckungselementen tummeln sich jedes Wochenende unzählige Begeisterte mit Maske und Markierer. So weit ist es in der Schweiz nicht – noch nicht. Denn die Tendenz ist steigend. «Das hier ist das dritte Wochenende in Folge, an dem wir Gruppen hier oben haben», stellt Roli fest. Und auch Tells Söhne leisten sich inzwischen eine eigene aktive Paintball-Liga. Markiert! «Nach vorne, geht nach vorne, tut etwas!», beschwört Roli, der als Schiedsrichter fungiert, den eher defensiven Teil unserer Mannschaft. Leicht gesagt. Als ich gerade beschliesse, für ein paar Sekunden den starken Mann zu spielen und zu dieser schön tiefen Erdkuhle hinter einer dicken Wurzel zu rennen, beschlägt sich das Innere meiner Gesichtsmaske. Ich warte, bis ich wenigstens wieder Umrisse erkenne, und schiebe mich vorsichtig an den Rand der Deckung. Nicht vorsichtig genug offenbar. Ein kurzer Schmerz am Schienbein, ein lila Rinnsal auf der Hose. Ich hebe den Arm, rufe «Out» und komme aus der Deckung hervor. Damit zeige ich an, dass ich getroffen, Verzeihung, markiert worden bin und das Spielfeld jetzt verlasse. Meine Mannschaft hat einen Spieler verloren, die Gegner sind ihrem Ziel um einen Spieler näher gekommen. Das schmerzt mehr als der Treffer. Der Ehrgeiz kommt beim Paintball ganz von allein. Es macht Spass Kriegsverherrlichung? Zumindest an diesem Tag und in dieser Gruppe stelle ich davon nichts fest. Zwar sind einige der Teilnehmenden in Tarnfarben erschienen, aber kaum aus Freude an militärischer Kleidung, sondern in der Hoffnung, so kein gutes Ziel zu bieten. Zugegeben: Man kann es natürlich als dekadent bezeichnen, in einem Wald Farbkugeln auf andere Leute abzufeuern. Andererseits ist Paintball nichts anderes als die technisch ausgereifte Fortsetzung unserer früheren Kinderspiele im Wald. Und – in aller Offenheit: Es macht ganz einfach Spass. Stefan Millius Vom Kuh-Markieren abgeschaut Die Sportart Paintball ist bei uns noch nicht lange verbreitet, existiert aber schon mehr als zwei Jahrzehnte. Angeblich waren sich damals zwei Amerikaner uneinig darüber, ob der Überlebensinstinkt des Menschen angeboren ist oder erst erlernt werden muss. Um diese Frage praktisch zu beantworten, kreierten sie Paintball. Benutzt wurden dazu zunächst die Geräte, mit denen Kühe aus grösserer Entfernung mit Farben markiert werden. Nachdem 1981 die ersten Spiele veranstaltet wurden, entstand bald eine regelrechte Industrie mit professionell betriebenen Spielfeldern und vielen Ausrüstungsanbietern. Vorbehalte gegenüber Paintball gibt es allerdings nach wie vor viele. Die Aargauer Gemeinde Uezwil erliess 2001 auf ihrem ganzen Dorfgebiet ein Verbot, um eine Spielanlage zu verhindern. Die Paintball-Veranstalter gingen gegen dieses Verbot gerichtlich vor. Im vergangenen April entschied das kantonale Departement des Innern – zugunsten der Spieler. (smi)

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